Pfingsten in Ostpreussen - Von Maien, Alwieteschaukel und Kalmus

Aus Weiden und Birken geflochten
„Maibaum“ und „Pfingstochse“ sind allgemein bekannt, aber die „Alwieteschaukel“ traf man nur in Ostpreußen und wohl auch in Litauen an. „Alwieten sind ein weidenartiges Gebüsch mit recht schmalen Blättern, dessen Triebe von ungeheurer Widerstandsfähigkeit sind“, berichtet ein Landsmann aus der Tilsiter Gegend. Zwei junge Birkenbäume von etwa vier Metern Länge mit guten Baumkronen wurden herbeigeschafft und die Kronen mit den Alwieten zu Kränzen verflochten. Durch diese Kränze schob man ein Rundholz, etwa 2,5 Meter lang. Die Stämme waren die Stangen der Schaukel, die nun zwischen zwei kräftigen Kiefernstämmen in dem Kronengehölz befestigt wurde. Am unteren Ende der Birkenstangen brachte ein Sitzbrett an. Auf dieser Schaukel nahmen vor allem Liebespaare Platz. Das Mädchen setzte sich hin, der Bursche stellte sich dahinter und versuchte, seine Auserwählte möglichst hoch zu schwingen. Sogar ein Überschlag wurde mitunter angestrebt. Die Weidengerte (litauisch „alwite“) soll lebensspendende Kraft haben – für junge Paare ein wichtiger Punkt. In Agnes Miegels Ballade „Das Märchen von der schönen Mete“ vollzieht sich an Pfingsten eine tiefe Erneuerung. Die schöne Mete ist ein Findelkind, das nackt vor der Tür des Schulzen gelegen hat. Der Sohn des Schulzen liebt die herangewachsene Schönheit und nimmt sie zur Frau. Ihre Herkunft bleibt dunkel. „Und würde deine Mutter eine Hexe sein,/Du wunderschöne Mete, Dich nur will ich frein!“ An Pfingsten trägt die schöne Mete ihr Kind zur Taufe, als der „Großknecht am Tore die Maien anschlug“. Da bricht die Geisterwelt oder das Heidentum über Mete herein. Sie kommt aus dem Elfenland, bereut bitter ihre Liebe zu einem Sterblichen und will zurück zu ihren Schwestern mit den „grünfunkelnden Augen“. Doch ihr Mann hält sie fest und besiegt den Zauber mit der Kraft seiner Liebe. Mete lässt das „Elfenland“ endgültig zurück und gehört nun zu ihrem „liebsten Mann“ und zu ihrem Kind. „Wie läuten die Glocken lieblich im Heimatland!“ Das Heidentum brach sich auch in der Johannisnacht in Ostpreußen Bahn. Die heidnische Sonnenwendfeier in der Mittsommernacht bekam bei der Christianisierung den Bezug zu Johannes dem Täufer. Seit dem 12. Jahrhundert sind die Johannisfeuer in Europa bezeugt, aber auch Wasser spielte eine Rolle ähnlich wie zu Ostern. Reinigung und Erneuerung ergeben sich durch Wasser und durch Feuer.
Zwischen Heiden- und Christentum
Das Wissen um die Heilkraft der Natur vererbten die alten Prußen an ihre christlichen Nachfolger. Heilkräuter sollten vor der Sommersonnenwende geerntet werden, weil die Wirkung sich später abschwächt. „So sammelte man in Natangen und im Samland neunerlei Kräuter und flocht sie in der Johannisnacht zum Kranz“, schildert Hedwig von Lölhöffel. Schafgarbe, Johanniskraut, Kamille, Labkraut, Schachtelhalm waren dabei. Man legte sie, zum Kranz geflochten, unter das Kopfkissen. Der Traum in der Johannisnacht ging dann in Erfüllung. In der frühen Ballade „Elfkönig“ (1900) erwähnt Agnes Miegel diesen Brauch. „Johannisabend im Vollmondschein,/Neunerlei Kräuter sucht ich am Rain“. Das Johannisfeuer wurde auf verschiedene Weise abgebrannt. Im Kreis Darkehmen wurde ein Wagenrad mit Teer bestrichen und mit Tannenästen umwunden. In der Tilsiter Gegend steckte man Hafer und Stroh in ein großes Fass, goss Teer hinein und befestigte das Fass an einem Pfahl. Der wurde in die Erde gegraben,und die Leute tanzten um das lodernde Feuer. Das Johannisfeuer sollte Unwetter vom ganzen Land abhalten.
Allensteiner Welle
Radio hält zusammen
Start vor 21 Jahren: Der deutschsprachige Sender bietet Unterhaltung und Informationen für die Deutsche Minderheit
Viele deutsche Gesellschaften im südlichen Ostpreußen wurden und werden 30 Jahre alt. Im April 2021 gab es auch für die Radiosendung für die Deutsche Minderheit in der Woiwodschaft Ermland-Masuren „Allensteiner Welle“ ein Jubiläum: Sie wurde 20. Gefeiert wurde jedoch (noch) nicht.
Es hörte sich vor 21 Jahren wie ein Aprilscherz an; die Mitglieder der Deutschen Minderheit wollten es erst nicht so recht glauben. Im Rückblick lässt sich aber feststellen: Der 1. April 2001 war ein Meilenstein für den Verband der deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren VdGEM. Damals ging die „Allensteiner Welle“ zum ersten Mal auf Sendung, um 18.05 Uhr, 15 Minuten lang und zweisprachig moderiert. Thema war ein Theaterstück zu Don Quijote, das auf Deutsch im Allensteiner Stefan-Jaracz-Theater gastierte.

Geblieben ist die Struktur der „Allensteiner Welle“: ein kurzer Nachrichtenblock am Anfang, danach Beiträge, Interviews, Berichte und Feuilletons, einmal im Monat ein Wunschkonzert am Ende der Sendung. Der thematische Schwerpunkt liegt auf Ereignissen bei der regionalen Deutschen Minderheit und Themen, die sie betreffen. Dazu kommen deutsch-polnische Fragen, Themen zur deutschen Sprache und Kultur sowie Berichte zu aktuellen Anlässen.
„Im Moment können wir wenig aus den Gesellschaften der Deutschen Minderheit präsentieren“, bedauert die leitende Redakteurin Anna Przywoźna, die von Anfang an bei der „Allensteiner Welle“ dabei ist, „nachdem die Einschränkungen zur Pandemie gelockert wurden, geht ihre Aktivität erst langsam wieder los.“ Momentan sind sie sehr aktiv in der Hilfe für die Ukrainer, haben schnell reagiert, denn die Mitglieder der deutschen und der ukrainischen Volksgruppe in der Region kennen sich in vielen Orten sehr gut.
Dabei sind das Coronavirus und der Krieg in der Ukraine nicht die einzigen Faktoren, die Einfluss auf die Radiosendung nahmen. Die Verschiebung der Sendezeit änderte die Hörerstruktur, und die Digitalisierung das Radio als solches. Die Sendungen sind übers Internet zu empfangen, und es gibt eine Seite der Medien der Deutschen Minderheit in der Republik Polen mit Hinweisen zur „Allensteiner Welle“. Um junge Menschen für das Medium Radio und eine Mitarbeit zu begeistern, gab es zuletzt in Zusammenarbeit mit der aktuellen Kulturmanagerin des Instituts für Auslandsbeziehungen IfA in der Region, Julia Herzog, ein Seminar für Sprechen im Radio.
„Das Radio ist gerade in diesen schwierigen Zeiten wichtig für unseren Zusammenhalt. Wichtig sind daher auch Rückmeldungen der Hörer zu unserer Sendung“, so der Vorsitzende des VdGEM Henryk Hoch, „für das Team zur Gestaltung der Sendung und für unsere Geldgeber, allen voran das IfA.“
Hören kann man die „Allensteiner Welle“ sonntags um 20.05 Uhr bei Radio Olsztyn oder auf www.ro.com.pl.
Von Uwe Hahnkamp,
Quelle: PAZ Nr.14-8. April 2022